Verein für europäische Binnenschifffahrt und Wasserstraßen e.V.

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Pressemitteilung zum Thementag 2014

„Einbindung der Binnenschifffahrt in die Logistik von Metropolregionen bietet neue Perspektiven“

Entscheidend ist der Wille zur Kooperation zwischen öffentli-chen und privaten Partnern

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Während die Gesamtbevölkerung in Deutschland rückläufig ist und bis zum Jahr 2030 von 81,2 auf 79,1 Mio. sinken wird, steigt der Anteil der in Städten wohnenden Menschen im gleichen Zeitraum auf ca. 80 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Dies hat Konsequenzen für die Verkehrsinfrastruktur. Der Individualver-kehr in den Städten wird weiter zunehmen. Ebenfalls anwachsen werden innerstädtische Lieferverkehre, sowie die logistischen Herausforderungen bezüglich der Versorgung dieser Ballungszentren. Entwicklungen wie der zunehmende Internethandel und der Trend zu kleineren Bestellmengen bei höheren Liefertakten verstärken diese Problematik.

Aufgrund der begrenzten Ausbaufähigkeit und dem teilweise schlechten Zustand der Infrastruktur in diesen hoch komplexen und verdichteten Le-bensräumen ist eine nachhaltige Versorgung der Menschen mit Gütern und Waren mit den derzeitigen Strukturen nicht mehr einwandfrei gewährleistet. Handelsunternehmen, Lieferanten, Kurier-, Express- und Paketdienste (KEP) sowie Logistik-Dienstleister benötigen daher effiziente Logistiklösungen speziell für den urbanen Raum.

Viele der Städte mit derartigen Verkehrsproblemen, wie Berlin, Hamburg, der Rhein-Main-Raum und das Ruhrgebiet verfügen über eine Anbindung an Wasserstraßen, leistungsfähige Binnenhäfen oder sogar innerstädtische Wasserstraßennetze. In seiner diesjährigen Jahrestagung stellte der Verein für europäische Binnenschifffahrt und Wasserstraßen e.V. (VBW) daher die Frage, welche Lösungen das System Schiff/Wasserstraße/Häfen für die unter Druck geratenen Ballungszentren bietet und welche Rahmenbedingungen für eine effiziente und wirtschaftliche Einbindung der Binnenschifffahrt in die Logistik von Metropolregionen gegeben sein müssen?

Zirka 60 Experten aus der Logistikwirtschaft, der Industrie, der Verwaltung und Verbänden nahmen an der Tagung teil.

Prof. Dr. Rudolf Juchelka, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsgeographie an der Universität Duisburg-Essen, beleuchtete das Thema aus wissenschaftlicher Perspektive. Laut OECD-Prognosen werden der Personen- und der Güterverkehr in den OECD-Staaten um bis zu 450% in der Transportleistung zunehmen. Die Verkehrsleistung in Deutschland werde ebenfalls massiv steigen. Den meisten Zuwachs werde weiterhin der Straßenverkehr tragen, hier wird ein Zuwachs von 453 Tonnenkilometern in 2010 auf 704 Mrd. Tonnenkilometer (Tkm) in 2025 erwartet. Aber auch die anderen Verkehrsträger werden in diesem Zeitraum zulegen. Für die Schiene wird ein Wachstum auf 152 Mrd. Tkm (von 104 Mrd. Tkm in 2010) und auch die Binnenschifffahrt soll von 57 Mrd. Tkm in 2010 auf 80 Mrd.Tkm wachsen. Lösungsansätze sieht er in der Vernetzung der Verkehre. Dabei gehe es sowohl um den Einsatz technischer Lösungen, wie bessere Verkehrssteuerung durch Telematik aber auch um verhaltensori-entierte Ansätze. Wichtig bei der Gestaltung urbaner Mobilität sei eine enge Koordination zwischen Politik, Bevölkerung und der Wirtschaft. Am Fallbeispiel des Ruhrgebietes erklärte Prof. Juchelka: „Wir haben es hier mit einem international bedeutenden Wirtschaftsraum und Ballungszentrum zu tun. Die Logistikwirtschaft ist hier mit über 88.000 Beschäftigten eine der am schnellsten wachsenden Branchen. Dennoch schafft es das Ruhrgebiet nicht, diese Potenziale bestmöglich auszuschöpfen.“ Schuld daran seien kleinräumiges Kirchturmdenken und der mangelnde Wille zur Vernetzung.

Peter Stijn, Beigeordneter der Stadt Utrecht für Raumordnung und Stadtplanung     präsentierte Strategien und Best-Practices einer Kommune. Utrecht verfolge hierbei einen überregionalen Ansatz und setze sehr auf die Einbindung der Privatwirtschaft. So sei eine Plattform entstanden in der Unternehmen, die Industrie- Handelskammern und Behörden eng zu-sammenarbeiten. Die Stadt stellt der Plattform Projektgelder zur Verfügung. Die Leitung der Projekte liegt aber bei den Wirtschaftspartnern.

Zwei konkrete Projekte sind der Bau eines Bierbootes und eines Müllboo-tes, die durch die Stadt gebaut wurden und betrieben werden. Die Kunden des Bierbootes, Getränkegroßhändler in der Region zahlen einen kostendeckenden Tarif pro Strecke. Durch dieses Projekt ist die Belieferung der innerstädtischen Gastronomie gesichert, die mit 3,5 t LKW aufgrund der Ablastung der historischen Bausubstanz nicht mehr angefahren werden können. Das Bierboot wird auch mit palettengroßen Kühlcontainern beladen, die für eine lokale Supermarktkette bestimmt sind. Das Müllboot wird für die Entsorgung von gewerblichen Abfällen entlang der innerstädtischen Wasserstraßen genutzt.

Manuel Garrido, Projektleiter bei HAROPA Ports de Paris stellte Konzepte für die multimodale Distributionslogistik von Städten dar. Seit 2012 werden innerstädtische Umschlagspunkte von regionalen Terminals z.B. in Gennevilliers, Bonneuil und Evry per Schiff bedient. Die Schiffe werden mit speziell angefertigten Wechselbehältern von 24 und 27 Fuß Länge beladen. Mit diesen werden zurzeit ca. 100 Kunden im Zentrum von Paris beliefert. Wo keine direkte Anlieferung möglich ist, werden die Behälter von besonders leisen Euro V LKW auf der letzten Meile zu ihrem Zielpunkt gebracht. Dies ermöglicht eine Belieferung in den Nachtzeiten. Die Kombination von 24 und 27 Fuß langen Behältern ermöglicht, dass jeweils 2 Container mit einem LKW zu den Terminals transportiert werden können, was aufgrund französischer rechtlicher Beschränkungen sonst nicht möglich wäre.

Die Umschlagstellen in Paris-Mitte bestehen aus einem Reachstacker und einem niedrigen Zaun, der geöffnet ist wenn kein Umschlag erfolgt. So wird der öffentlichen Raums nicht eingeschränkt. Das Projekt ist eine Kooperation der Pariser Häfen mit verschiedenen Transportunternehmen. Neben der Bereitstellung der öffentlichen Infrastruktur wird der Container-umschlag subventioniert, um anfangs eine kritische Masse zu erreichen. Die Subventionen werden jedoch jährlich zurückgefahren. Zurzeit hat der Containerdienst noch Kapazitäten für weitere 20 Wechselbehälter.

Im nächsten Jahr erfolgt eine Evaluation der Vorhaben. Als denkbare Folgeprojekte werden ein selbstladendes Schiff
für Palettenverkehre sowie ein Roll-on Roll-off Schiff, das mit vorgepackten LKW für den Handel beladen ist, angedacht.

Wie schwierig es sein kann, ohne Rückhalt der Kommunen urbane Logistik mit dem Binnenschiff wirtschaftlich darzustellen, zeigte Ralf Maehmel, Geschäftsführer der Imperial Baris GmbH am Beispiel von Baustellenverkehren in Berlin auf. Dabei verfügt Berlin über ein hervorragendes innerstädtisches Wasserstraßennetz und ist damit prädestiniert für innerstädtische Binnenschiffstransporte. Einschränkungen der Betriebszeiten durch die öffentliche Hand sowie Vorrangrechte für die Fahrgastschiffahrt und Umschlagsstellen, die für einen wirtschaftlichen Transport nicht ausrei-chend dimensioniert sind, erschweren hier unternehmerisches Handeln.

VBW-Vizepräsidentin Patricia Erb-Korn, Geschäftsführerin der Karlsruher Versorgungs- Verkehrs- und Hafen GmbH, resümierte: „Wir sehen anhand dieser Beispiele, dass der Willen zur Kooperation zwischen öffentlicher Hand und Privatwirtschaft entscheidend für den Erfolg logistischer Konzepte zur Einbindung des Systems Schiff/Wasserstraße/Häfen in die urbane Logistik sind. Ist dieser vorhanden, lassen sich an den jeweiligen regionalen Besonderheiten orientierte Lösungen entwickeln.“




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